IT-basiertes Fitnesstraining für Menschen mit körperlichen Einschränkungen
Moderne IT, Tablets und Smartphones sind heutzutage aus unserem Leben kaum mehr wegzudenken. Dabei stehen meist der ubiquitäre Informationszugang, die Kommunikation und Erreichbarkeit rund um die Uhr oder die Unterhaltung mit oft banalen Spiele-Apps im Fokus der Nutzer. Wie man aber eine weit verbreitete Technologie auf bestehende, spezifische Bedarfe ausrichtet, zeigt das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen. Dort entwickelten Forscher im Rahmen des Forschungsprojektes akrobatik@home ein IT-basiertes Fitnesstraining für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, das das oftmals tägliche Training durch spieltypische Elemente abwechslungsreicher gestaltet und die Nutzer motiviert.
Das Besondere an dem Projekt ist, dass nicht allein die Entwicklung innovativer Technologie im Fokus steht, sondern vielmehr mit Hilfe der Verknüpfung von konkreten, gesellschaftlichen Bedarfen mit technologischen Entwicklungen und Innovationen einen Schritt weiter in die Zukunft zu gehen. Um dieses Ziel bestmöglich zu erreichen, bot sich natürlich eine Zusammenarbeit mit denjenigen Menschen an, die in besonderem Maße wissen, was es bedeutet, körperlich eingeschränkt zu sein: Contergan-Geschädigte. Diese Menschen waren dazu bereit, die Bewältigungsstrategien ihres Alltags offen zu legen und daraus gemeinsam mit den Fraunhofer-Forschern Ideen für technische Assistenzsysteme zu entwickeln. Basierend auf den Erfahrungen und den verschiedenen körperlichen Einschränkungen entstanden diverse Ideen, die im Rahmen von Forschungsprojekten umgesetzt werden. Eines davon ist das Projekt akrobatik@home, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
Inhalt des Forschungsprojektes ist neben der Umsetzung des Fitness-Trainings, das von der Firma Exozet Berlin in ein unterhaltsames Computerspiel eingebettet ist, auch die Entwicklung innovativer Steuerungsmöglichkeiten, die den Möglichkeiten und Bedarfen der Nutzer entsprechen. Zum einen ist dies ein Schulterkissen, in das kleine Sensoren eingebaut sind, die jede Bewegung der Probandin erfassen und drahtlos via Bluetooth auf das vor ihr stehende Tablet übertragen. Dort verarbeitet eine Software alle Informationen und überträgt diese auf ihren Avatar im Spiel. Hinzu kommt ein Sitzkissen, das vom Projektpartner GeBioM zur Steuerung des Spiels über Gewichtsverlagerung entwickelt wurde. Auch eine Sprachsteuerung des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) und ein Videokommunikationssystem der Firma Bravis ist Teil des Forschungsvorhabens, sodass Nutzer durch das Spielmenü navigieren und sich über Webcams austauschen können.
Und das Ergebnis des im Frühjahr 2015 auslaufenden Projektes kann sich sehen lassen: Das Schulterkissen beherbergt nicht nur jede Menge Elektronik und Sensoren mit deren Hilfe vertikale, horizontale und sogar rotierende Bewegungen erfasst werden können, sondern es passt ich auch noch der Schulterform individuell an. Durch den spielerischen Ansatz sollen Anreize gesetzt werden, die Bewegungen von selbst immer wieder zu wiederholen und sich dadurch zu verbessern. Denn während der Nutzer spielt, führt er unbewusst die von Therapeuten empfohlenen Übungen durch.
Das Projekt und sein Erfolg sind Beweis dafür, in welche Richtung sich Forschung und Wissenschaft zukünftig mehr orientieren und ausrichten müssen. Die Partizipation als Einbezug von Nutzern und Stakeholdern neben der eigentlichen technischen Entwicklung ein zentrales Element, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Gesellschaft zu meistern. Nur wenn das Hauptaugenmerk auf den Bedarfen der Endnutzer liegt, wird es möglich sein, durch deren Einbindung technische Lösungen zu entwickeln, die wirklich hilfreich und vor allem akzeptiert sind.
Quelle und weiterführende Informationen: Fraunhofer IIS